Die hoechste und laengste Seilbahn der Welt (lt. Lonely Planet) beginnt in Mérida. 100m von der Haustuere meiner Posada geht es von 1.577m hoch auf 4.765m zum Pico Espejo. Die 12,5km lange Seilbahn stoppt an 3 Ausgangspunkten, so dass man Schritt fuer Schritt austesten kann wieviel Hoehe man vertraegt.
Wenn man ohne vorherige Eingewoehnungszeit auf ueber 2.500m Hoehe ansteigt, besteht die Gefahr von Soroche – der Hoehenkrankheit. Unabhaengig von der koerperlichen Fitness haben manche Probleme von Schwindel, Atemnot bis zur Bewusstlosigkeit, waehrend andere kaum etwas spueren.
Mit einer Gruppe von 4 Deutschen und Josey, der Neuseelaenderin, die ich schon von Playa Colorado kenne, machen wir uns fruehmorgens kurz vor sechs auf den Weg.
Ich vertrage den Hoehenanstieg ganz gut. Auf 4.765m allerdings sind schnelle Bewegungen tabu. Alles ganz langsam. Eine ruckartige Bewegung macht sich sofort durch Schwindel bemerkbar.
Eine Venezulanerin, anfang 30 hat richtig Probleme mit der Hoehe.
Sie zittert am ganzen Leib und ist vollkommen aphatisch. Fuer sie heisst es, so schnell wie moeglich mit der Seilbahn eine Station tiefer. Das Wasser, das wir ihr anbieten lehnt ihr cleverer Ehemann ab und floesst ihr Alkohol ein, nicht besonders hilfreich. Ich gebe ihr meine Jacke und mein Heizkissen, doch ihr Zittern wird nicht besser, also hilft nur Koerperwaerme. Ich klettere ueber den Sitz, nehme sie in den Arm und teile meine koerpereigene Waerme mit ihr. Ihrem Mann sage ich er soll sie von der anderen Seite umarmen. Der jedoch findet es viel witziger Fotos zu schiessen, wie sich seine Frau hilfesuchend an mich klammert. Wie ein kleines Kind drueckt sie sich veraengstigt an mich. Eine Station weiter, knapp 700m tiefer erholt sie sich langsam wieder.
Von hier aus wollen die 4 Deutschen nach Los Nevados wandern. Gut vorbereitet haben sie alles notwendige fuer eine Nacht in ihren Rucksaecken. „Hey, komm doch mit uns mit.“ Hmm, klingt verlockend, bin zwar alles andere als vorbereitet, aber warum eigentlich nicht. Eine Nacht wird schon gehen. Josey meldet Bedenken an, an der Talstation muss man sich an- und abmelden. So kann notfalls ein Suchtrupplosgeschickt werden, sollte eine Person nicht zurueckkehren.
Die Zeit draengt, wir sollten los bevor es zwecks Einbruch der Dunkelheit zu spaet wird. Die vier marschieren schon mal los, waehrend ich versuche von hier oben aus alles zu regeln. Bei Erfolg komme ich per Mulli nach.
Nach gut eineinhalb Stunden mache ich mich mit Mulli, drei Ochsen und einem Fuehrer auf den Weg. Ich geniesse die Ruhe und die herrliche Landschaft. Nach zwei Stunden kann ich nicht mehr sitzen, mein Hintern schmerzt ganz schoen und ich bevorzuge es zu laufen. Der Fuehrer spricht kein Wort. Komischer Typ. Vom Aussehen erinnert er mich an unseren Dorf-Assi zu Hause. Staendig dreht er sich um, als wuerde er auf jemanden warten. Die Situation ist mir ploetzlich nicht mehr so geheuer. Paranoia macht sich so langsam bermerkbar. Ob das so eine gute Idee war alleine loszuziehen? So langsam muessten wir doch auch die Anderen eingeholt haben. Doch von denen ist weit und breit nichts zu sehen. Ploetzlich ist der Weg zu Ende, ein Holzgatter versperrt den schmalen Pfad. Ohne ein Wort zu sagen steigt der Fuehrer ab und marschiert davon…mir rutscht das Herz in die Hose…er oeffnet das Gatter und es kann weitergehen. Scheiss Paranoia.
Nach endlos langen 4h erreichen wir eine Wegkreuzung „Los Nevaods“ nach recht, der Fuehrer reitet nach links. Ich protestiere. Doch dann erkenne ich, ein Stueckchen weiter links ist eine Wiese, an der wir die drei Ochsen abliefern.
Ich bin heilfroh als wir kurz darauf die vier Deutschen erreichen. Geschafft. Ab hier geht es zu Fuss weiter. Nach ca. einer halben Stunde liegt es vor uns: Los Nevados- das vergessene Paradies!
Ein kleines Doerfchen mitten in den Bergen. Ausser dem Wanderweg gibt es noch eine kleine Bergstrasse, mit dem Jeep braucht man ebenfalls 4h bis zur nachsten Stadt. Ausser uns keine Touristen. Wir verbringen eine Nacht in dieser Idylle und kommen aus dem Schwaermen nicht mehr heraus.
Am naechsten Tag wollen wir mit dem Jeep zurueckfahren. In der Nacht und in den fruehen Morgenstunden schuettet es wie aus Kuebeln, die Strasse ist matschig und schwer befahrbar. Die Dorfbewohner sind unschluessig ob wir heute noch nach Mérida zurueckkehren koennen.
Schliesslich findet sich doch noch ein Fahrer, der bereit ist uns fuer eine staatliche Summe zurueckzubringen. Die Strasse ist teilweise so schmal, dass sich die Raeder gefaehrlich Nahe am Abgrund bewegen. Immer wieder rutscht der Jeep aus der Spur. 700m geht es steil den Abhang hinunter, kein Busch oder Baum der einen abstuerzenden Jeep bremsen wuerde. Ob die hier wohl soetwas wie das THW haben? Wie lange es wohl dauert bis sie kommen? Ein Blick zum Fahrer beruhigt mich nicht unbedingt, munter trinkt er Rum aus einer Plastikflasche. Der Weg windet sich unglaublich steil um die Bergwaende. Ein langer Anstieg, der Motor stockt und saeuft ab kurz vor der Kuppel….oje, ich dreh mich um, der Blick nach Hinten, nach unten ist nicht sehr ermutigend. Der Fahrer zeigt Koennen, nach mehreren Versuchen bringt er den vollbesetzten Jeep ueber die Kuppel. Dieses Spielchen wiederholt sich von nun an, an fast jedem Anstieg. Nach gut einer Stunde, in der ich echte Angst verspuehre finde ich mich langsam mit der Situation ab. Der Jeep will nicht so recht, Fahrer und Beifahrer streiten sich ob es an mangeldem Benzin oder am Dreck im Tank liegt. Benzin wird mittels einer 500ml Plastikflasche nachgefuellt. Erneuter Stopp nach 10min, die Benzinpumpe wird gereiningt. Wir sitzen eine halbe Stunde am Wegesrand und hoffen, das wird heute noch etwas mit dem Heimkommen. Irgendwie schaffen wir es dann doch noch, nach gut 6h, mit stotterndem Motor Mérida zu erreichen.
Und wieder ein neues Abendteuer!
März 6, 2008
Kategorien: 2. Südamerika, 2.1 Venezuela . . Autor: aensche . Comments: Hinterlasse einen Kommentar