Im Hostal in Quito haengt eine Liste aus mit Namen auslaendischer Maedels, die hier im Gefaengnis sitzen und keinen haben der sie besucht.
Aus Filmen kenne ich die Schauergeschichten von auslaendischen Gefaengnisen. Es interessiert mich unter welchen Umstaenden die Maedels hier in Quito leben. Mit ein paar Jungs aus dem Hostal beschliesse ich zum Besuchstag zu fahren. Martan aus Daenemark, Erik aus Kanada und Neil aus London sind mit von der Partie. Bevor es losgeht der allgemeine Check. Hat jeder seinen Pass dabei? Keinen Guertel an? Ruehrend wie sich jeder um den Anderen kuemmert, so stelle ich mir reisen vor, so stelle ich mir leben vor, wie viel angenehmer wenn jeder ein bisschen nach dem Anderen schaut.
Vor dem Gefaengnis reihen wir uns in zwei Kontroll-Reihen. Die Jungs in die eine, ich in die andere. Ein kurzes Abtasten, die Frage wen ich besuchen will. Der erste Name Fehlanzeige, das Maedchen wurde vor zwei Tagen entlassen. Der zweite Name passt. Zwei uebergrosse Stempel auf den Unterarm um mich als Besucher zu kennzeichnen.
Wir werden in einen langen Gang gefuehrt, in dem die Maedels schon warten. Aufgeregt stuermen einigeauf uns zu, fragen nach unsrer Nationalitaet und organisieren fuer jeden Besucher ein paar Insassen aus dem eigenen Land.
Ich werde gleich von drei deutschen Maedchen umringt. Die erste Frage: Hast Du Kippen? Klar habe ich ihnen eine Packung der Gefaengniswaehrung mitgebracht und einen Rucksack voller Geschenke. Ein altes Handtuch. „Das will ich, ich hab seit 2 Jahren kein Handtuch.“ Die alten FlipFlops, Hosen, Buecher, Zanpasta. Wi ekleine Kinder an Weihnachten stuerzen sie sich auf meien Mitbringsel. Stolz traegt Diana aus Nuernberg den halb zerfledderten DeutscheBank Rucksack auf ihrem Ruecken durch die Gefaengnismauern. „Das macht nix, den kann ich flicken.“
In den Gaengen wird Essen verkauft, aenlich wi eauf der Marktstrasse aussen. Die Maedels muessen Geld verdienen um Kleidung, Essen und Miete zu zahlen. Ca. 20 Maedchen wonen jeweils in einem Komplex mit Wohnraum, Kueche und Waschraum zusammen. Zu zweit oder zu dritt schlafen sie in einem kleinem Zimmerchen, dass durch das Stockbett fast komplett ausgefuellt ist. Je mehr sie zahlen umso komfortabler ist der Komplex. Diana bekommt eine monatliche Unterstuetzung vom deutschen Sozialamt. Wenn sie in 2 Jahren entlassen wird, sitzt sie auf einem Schuldenberg der schon heute 15.000€ betraegt.
Den Maedchen sieht man ihr raues Gefaengnisleben an. Die Haut vorzeitg gealtert und schlecht, die Zaehne teilweis everottet. Sehnsucht nach menschlicher Beruehrung. Als Diana das erste Mal auf mich zustuermt, erschrecke ich und unterdruecke den Drang ihr auszuweichen. Ihre Erscheinung ist furchteinfloessend. Aber schnel erkent man das Kind, dass sich hinter dieser Fassade verbirgt. Sie hakt sich bei mir unter und umarmt mich immer wieder. Was sie sucht ist menschliche Waerme. Ihre Geschichte ist erschuetternd. Der Grund bei fast allen Drogenschmuggel. Fuer Kokainschmuggel gibt es 8 Jahre, egal ob es 100g oder 35kg sind.
Diana ist 21 Jahre alt, noch ein halbes Kind, al ssie von einem Freund angesprochen wird. Sie soll nach Ecuador reisen und Kokain ueber die Grenze bringen. Pro kg wird ihr eine hohe Summe zugesagt. Diana ist seit 5 Jahren verheiratet, hat zwei Kinder 2 und 1 Jahr alt. Sie ist unzufrieden und ungluecklich mit ihrem Leben, will die Scheidung, will ein neues Leben starten. Naiv laesst sie sich darauf ein 35kg in ihrem Koffer zu transportieren. Die Bezahlung soll ihr zu dem neuen Leben verhelfen.
Doch das neue Leben sieht anders aus, als sie sich erhofft hatte. Der eifersuechtige Ehemann verpfeift sie an die Behoerden. Diana wird geschnappt, erhaelt 8 Jahre. Die Scheidung wird durchgefuehrt waehrend sie sitzt, die Kinder leben nun beim Vater. Alle paar Wochen wenn sie genug Geld gespart hat kann sie fuer ein paar Minuten mit ihren Kindern sprechen. Seit 6 Jahren hat sie diese nicht mehr im Arm gehalten.
Die ersten 2 Jahre muss sie in Guayaquil im Sueden Ecuadors absitzen. Die Bedingungen sind rau. Sie wird von den Waertern vergewaltigt und erlebt die schlimmsten Jahre ihres Lebens. Seit 4 Jahren sitzt sie nun in Quito und hat als „alteingesessene“ schon mehr Rechte. Sie freut sich auf zu Hause, noch 2 Jahre, dreiviertel sind schon rum. Zum Abschied nimmt sie mich nochmal in den Arm und meint: „Gruess mir Nuernberg, ach nein, ich gruesse Nuernberg von Dir, bin bestimmt eher da.“
Ann aus Suedafrika scheint das Sagen in der Gang zu haben. Sie ist 28 Jahre alt und sitzt seit 4 Jahren. Ann wird in Suedafrika angesprochen, sie soll knapp 1kg von Ecuador nach Suedafrika bringen. Die Bezahlung kann sich sehen lassen. Si ewohnt in einem schicken Hotel und laesst es sich ein paar Tage gutgehen bevor der Morgen kommt, der ihr Leben aendern soll. Sie versteckt die Drogen in ihrem BH, sah aus wie ein Dolly Bustard-Verschnitt. Am Zoll wird sie gebeten zum Ultraschall zum Arzt mitzukommen. Sie kommt aus Suedafrika, hat in ihrem Pass Stempel der Drogenlaender Bolivien und Columbien und war nur ein paar Tage im LAnd, das genuegt al sVerdacht. Ihr Magen ist sauber, keine Drogenbomben. Sie darf ausreisen. Alles scheint glatt gelaufen zu sein. Sie sitzt in der Halle und wartet auf das borden ihrer Maschine. Der Gedanke an 20h Flug ohne eien Zigarette laesst sie eine weitere fatale Dummheit begehen. Sie verlaesst den Sicherheitsbereich umihre letzte Zigarette in Freiheit zu rauchen. Auf dem Weg zurueck wird sie abgetastet und erhaelt 8 Jahre.
Spaeter erfaehrt sie, dass sie das Lockopfer war. Am selben Tag gingen 20kg Kokain ueber die Grenze nach Suedafrika. Ann erzaehlt mir von einem Maedchen aus Kanada, die ihre restliche Strafe im Heimatland absitzen darf. „Nicht fuer mich, ich geh in kein suedafrikanisches Gefaengnis, da geht es mir hier noch richtig gut.“
Sophie, 27 Jahre aus New Jersey USA sitzt seit 2 Jahren. Der Bruder ihres besten Freundes entfuehrt ihr 10 Monate altes Baby. Entweder du schmuggelst Drogen fuer mich oder du wirst dein Kind lebend nicht mehr wieder sehen. Ohne lange nachzudenken steigt sie in den Flieger. Kaum betritt sie ecuadorianischen Boden werden ihr Handschellen angeleg. Ein columbianischer Drogendealer der kurz vorher verhaftet wurde hatte eine Liste der Kontaktpersonen bei sich, ihr Name stand darauf. Seit 2 Jahren sitzt sie nun in Quto, ihren Komplez verlaesst sie nur an den Besuchertagen. Sonst ist es ihr zu gefaehrlich, denn auch die Frauen hier haben Waffen und Gewalt ist kein Fremdwort. Sophie sieht gepflegt aus, als Einzige hat sie ordentliche Zaehne. Keine Verottungsspuren verursacht durch ekzessiven Kokainkonsum. Si estrahlt eine unerschuettliche Staerke aus. „Ich habe mein Kind, meine Familie seit 2 Jahren nicht mehr gesehen, ich will nicht, dass sie mich so sehen, das bin nicht ich.“ Sie hofft bald frei zu komen. In Ecuador gibt es ein Gesetz, das untersagt jemanden einzusperren fuer ein Verbrechen, das nachweislich unter Erpressung durchgefuehrt wurde. Der Kidnapper ihres Babys wurde ein paar Tage nach ihrer Festnahme gefasst, ihr Sohn ist wohlauf. Und Sophie wartet auf ein Wiedersehen.
Betty, um die 50ist seit 4 Monaten hier mit ihrer 20 jaehrigen Tochter Josey. Josey arbeitet zu Haus ein Suedafrika in einer Bar. Si elernt einen Mann kennen der ihr von der Armut in Suedamerika berichtet. Sie wollen helfen. Ihre Mutter und sie sammeln mehrer Koffer voll Kleidung un dbringen diese persoenlich nach Ecuador. Einen der Koffer wolen sie behalten fuer die Rueckreise. Der Mittelsmann verspricht diesen am naechsten Morgen vorbeizubringen. In einem doppelten Boden verstaut er ein zusaetzliches Geschenk von ein paar Kilogramm Kokain. Die Frauen werden an der Grenze verhaftet. Bis heute warten sie auf ihre Gerichtsverhandlung. Betty erzaehlt mir ihre Geschichte und beteuert ihre Unschuld. Sie und ihre Tochter wollten doch nur helfen. Waehrend ich mit der Mutter spreche, sprechen die Jungs mit Josey. Sie erzaehlen mir spaeter, sie hatten den Eindruck Josey wusste genau was sie tat.
Dreimal die Woche ist Besuchtstag. Abwechslung fuer ein paar Stunden. Dreimal die Woche sitzen die maedels in dem kalten Gang der Gefaengnishalle und warten auf wildfremde Menschen die ihnen Zigaretten und etwas menschliche Waerme bringen. Besuch von der eigenen Familie gibt es kaum. Entweder sie wollen wie Sophie nicht, dass ihre Familie sie so sieht oder die Familien, wie in Dianas Fall leben selbst von Sozialhilfe und koennen sich einen Besuch einfach nicht leisten. Also warten die Maedels. Manchmal so wie heute kommen gleich viele auf einmal, manchmal kommt monatelang niemand.
So geben die Maedchen ihre Geschichten wieder. So unterschiedlich, so erschuetternd und teilweise so unglaublich. Entspricht das alles der Wahrheit oder schmuecken die Maedchen ihre Storys aus um Mitleid zu erregen? Manche wirken naiv und kindlich andere durchtrieben und raffiniert. Zu beneiden sind sie auf keinen Fall. Noch nicht einmal 30 und teilweise schon am Ende.
Mai 4, 2008
Kategorien: 2. Südamerika, 2.2 Ecuador . . Autor: aensche . Comments: Hinterlasse einen Kommentar