69 Tage Ecuador

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69 Tage Ecuador! Vom 13.Oktober bis zum 21.Dezember des Jahres 2007 lebte ich im zweit kleinsten Land Suedamerikas. Kein Rucksacktourist auf der Durchreise, nein, ich war ein Teil des Landes. Stand mit geringen Sprachkenntnissen und noch geringeren finanziellen Mitteln einsam am Flughafen, war bestellt und wurde nicht abgeholt. Habe die Gastfreundschaft und Herzlichkeit einer Wildfremden erfahren duerfen. Habe gearbeitet, habe Alltag sowie viele aufregende Abendteuer erlebt. War den Shamanen auf der Spur und habe auf fast 5.000 Meter Hoehe geschlafen. Habe mir von Trickbetruegern meine Kamara stehlen lassen. Habe mich um Blinddarmpatienten gekuemmert und subcutane Spritzen gesetzt. Erdbeben erlebt, Piranhias gefischt und Lemon-Ameisen gefuttert. War auf den Galápagosinseln schnorcheln mit Wasserschildkroeten, Seeloewen, Pinguinen und Haien. Habe mich in ein 5-Sterne-Hotel eingeschlichen und im Frauengefaengnis Kokain schmuggelnde Maedchen besucht…

130 Tage habe ich bis jetzt auf einem Kontinent verbracht, der mir noch vor kurzem so fremd war. Ich habe sehr viele schoene Erfahrungen erleben duerfen, aber auch das Elend der Menschen hautnah miterlebt. Habe mit Erschrecken feststellen muessen, dass Kinderarbeit ganz selbstverstaendlich ist. Kinder die bereits mit 5 Jahren zum Unterhalt der Familie beitragen muessen, die in jungen Jahren schon Kaempfen muessen, kaum Schulbildung erfahren und so geringe Chancen auf ein freies Leben haben.

Habe ich mich geaendert in dieser kurzen Zeit? Haben diese Erfahrungen Einfluss auf mein Leben genommen? Ja, mit Sicherheit. Meine Werte und Ansprueche haben sich verschoben. Viel oefter als frueher mache ich mir bewusst, wie gut ich es habe. Ich bin in ein reiches Land geboren, habe Bildung, Freundschaft, Fuersorge und Liebe erfahren duerfen. Ich habe einen Pass der es mir ermoeglicht in alle Laender dieser Welt zu reisen, habe die psychischen und physischen Faehigkeiten mir das Leben zu ermoeglichen, das ich gerne leben moechte. Und wie oft ignorieren wir diese Faehigkeiten, legen uns selbst Blockaden in den Weg mit hausgemachten Problemchen. Traun uns nicht zu leben- aus Angst, es koennte schief gehen, versuchen wir so vieles nicht einmal. Wie fremd und fern mir doch so manches aus meinem bisherigen Leben erscheint. Wie oft ich mich selbst unter Druck gesetzt habe, weil Papiere nicht rechtzeitig fertig waren oder weil ich zwei Minuten zu spaet dran war. Zu spaet fuer was? Als wuerden Menschenleben davon abhaengen. Hatte ein schlechtes Gewissen, wenn ich krank war und nicht zur Arbeit konnte, habe Einlaeufe kassiert wenn ich mal nicht 150% funktioniert habe.

Ich wachse mit jedem Tag und mit jeder Erfahrung. Und jede Herausforderung hilft mir, das Leben zu erschaffen, dass ich gerne Leben moechte.

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Eingesperrt in einem fremden Land

Im Hostal in Quito haengt eine Liste aus mit Namen auslaendischer Maedels, die hier im Gefaengnis sitzen und keinen haben der sie besucht.

Aus Filmen kenne ich die Schauergeschichten von auslaendischen Gefaengnisen. Es interessiert mich unter welchen Umstaenden die Maedels hier in Quito leben. Mit ein paar Jungs aus dem Hostal beschliesse ich zum Besuchstag zu fahren. Martan aus Daenemark, Erik aus Kanada und Neil aus London sind mit von der Partie. Bevor es losgeht der allgemeine Check. Hat jeder seinen Pass dabei? Keinen Guertel an? Ruehrend wie sich jeder um den Anderen kuemmert, so stelle ich mir reisen vor, so stelle ich mir leben vor, wie viel angenehmer wenn jeder ein bisschen nach dem Anderen schaut.

Vor dem Gefaengnis reihen wir uns in zwei Kontroll-Reihen. Die Jungs in die eine, ich in die andere. Ein kurzes Abtasten, die Frage wen ich besuchen will. Der erste Name Fehlanzeige, das Maedchen wurde vor zwei Tagen entlassen. Der zweite Name passt. Zwei uebergrosse Stempel auf den Unterarm um mich als Besucher zu kennzeichnen.

Wir werden in einen langen Gang gefuehrt, in dem die Maedels schon warten. Aufgeregt stuermen einigeauf uns zu, fragen nach unsrer Nationalitaet und organisieren fuer jeden Besucher ein paar Insassen aus dem eigenen Land.

Ich werde gleich von drei deutschen Maedchen umringt. Die erste Frage: Hast Du Kippen? Klar habe ich ihnen eine Packung der Gefaengniswaehrung mitgebracht und einen Rucksack voller Geschenke. Ein altes Handtuch. „Das will ich, ich hab seit 2 Jahren kein Handtuch.“ Die alten FlipFlops, Hosen, Buecher, Zanpasta. Wi ekleine Kinder an Weihnachten stuerzen sie sich auf meien Mitbringsel. Stolz traegt Diana aus Nuernberg den halb zerfledderten DeutscheBank Rucksack auf ihrem Ruecken durch die Gefaengnismauern. „Das macht nix, den kann ich flicken.“

In den Gaengen wird Essen verkauft, aenlich wi eauf der Marktstrasse aussen. Die Maedels muessen Geld verdienen um Kleidung, Essen und Miete zu zahlen. Ca. 20 Maedchen wonen jeweils in einem Komplex mit Wohnraum, Kueche und Waschraum zusammen. Zu zweit oder zu dritt schlafen sie in einem kleinem Zimmerchen, dass durch das Stockbett fast komplett ausgefuellt ist. Je mehr sie zahlen umso komfortabler ist der Komplex. Diana bekommt eine monatliche Unterstuetzung vom deutschen Sozialamt. Wenn sie in 2 Jahren entlassen wird, sitzt sie auf einem Schuldenberg der schon heute 15.000€ betraegt.

Den Maedchen sieht man ihr raues Gefaengnisleben an. Die Haut vorzeitg gealtert und schlecht, die Zaehne teilweis everottet. Sehnsucht nach menschlicher Beruehrung. Als Diana das erste Mal auf mich zustuermt, erschrecke ich und unterdruecke den Drang ihr auszuweichen. Ihre Erscheinung ist furchteinfloessend. Aber schnel erkent man das Kind, dass sich hinter dieser Fassade verbirgt. Sie hakt sich bei mir unter und umarmt mich immer wieder. Was sie sucht ist menschliche Waerme. Ihre Geschichte ist erschuetternd. Der Grund bei fast allen Drogenschmuggel. Fuer Kokainschmuggel gibt es 8 Jahre, egal ob es 100g oder 35kg sind.

Diana ist 21 Jahre alt, noch ein halbes Kind, al ssie von einem Freund angesprochen wird. Sie soll nach Ecuador reisen und Kokain ueber die Grenze bringen. Pro kg wird ihr eine hohe Summe zugesagt. Diana ist seit 5 Jahren verheiratet, hat zwei Kinder 2 und 1 Jahr alt. Sie ist unzufrieden und ungluecklich mit ihrem Leben, will die Scheidung, will ein neues Leben starten. Naiv laesst sie sich darauf ein 35kg in ihrem Koffer zu transportieren. Die Bezahlung soll ihr zu dem neuen Leben verhelfen.

Doch das neue Leben sieht anders aus, als sie sich erhofft hatte. Der eifersuechtige Ehemann verpfeift sie an die Behoerden. Diana wird geschnappt, erhaelt 8 Jahre. Die Scheidung wird durchgefuehrt waehrend sie sitzt, die Kinder leben nun beim Vater. Alle paar Wochen wenn sie genug Geld gespart hat kann sie fuer ein paar Minuten mit ihren Kindern sprechen. Seit 6 Jahren hat sie diese nicht mehr im Arm gehalten.

Die ersten 2 Jahre muss sie in Guayaquil im Sueden Ecuadors absitzen. Die Bedingungen sind rau. Sie wird von den Waertern vergewaltigt und erlebt die schlimmsten Jahre ihres Lebens. Seit 4 Jahren sitzt sie nun in Quito und hat als „alteingesessene“ schon mehr Rechte. Sie freut sich auf zu Hause, noch 2 Jahre, dreiviertel sind schon rum. Zum Abschied nimmt sie mich nochmal in den Arm und meint: „Gruess mir Nuernberg, ach nein, ich gruesse Nuernberg von Dir, bin bestimmt eher da.“

Ann aus Suedafrika scheint das Sagen in der Gang zu haben. Sie ist 28 Jahre alt und sitzt seit 4 Jahren. Ann wird in Suedafrika angesprochen, sie soll knapp 1kg von Ecuador nach Suedafrika bringen. Die Bezahlung kann sich sehen lassen. Si ewohnt in einem schicken Hotel und laesst es sich ein paar Tage gutgehen bevor der Morgen kommt, der ihr Leben aendern soll. Sie versteckt die Drogen in ihrem BH, sah aus wie ein Dolly Bustard-Verschnitt. Am Zoll wird sie gebeten zum Ultraschall zum Arzt mitzukommen. Sie kommt aus Suedafrika, hat in ihrem Pass Stempel der Drogenlaender Bolivien und Columbien und war nur ein paar Tage im LAnd, das genuegt al sVerdacht. Ihr Magen ist sauber, keine Drogenbomben. Sie darf ausreisen. Alles scheint glatt gelaufen zu sein. Sie sitzt in der Halle und wartet auf das borden ihrer Maschine. Der Gedanke an 20h Flug ohne eien Zigarette laesst sie eine weitere fatale Dummheit begehen. Sie verlaesst den Sicherheitsbereich umihre letzte Zigarette in Freiheit zu rauchen. Auf dem Weg zurueck wird sie abgetastet und erhaelt 8 Jahre.

Spaeter erfaehrt sie, dass sie das Lockopfer war. Am selben Tag gingen 20kg Kokain ueber die Grenze nach Suedafrika. Ann erzaehlt mir von einem Maedchen aus Kanada, die ihre restliche Strafe im Heimatland absitzen darf. „Nicht fuer mich, ich geh in kein suedafrikanisches Gefaengnis, da geht es mir hier noch richtig gut.“

Sophie, 27 Jahre aus New Jersey USA sitzt seit 2 Jahren. Der Bruder ihres besten Freundes entfuehrt ihr 10 Monate altes Baby. Entweder du schmuggelst Drogen fuer mich oder du wirst dein Kind lebend nicht mehr wieder sehen. Ohne lange nachzudenken steigt sie in den Flieger. Kaum betritt sie ecuadorianischen Boden werden ihr Handschellen angeleg. Ein columbianischer Drogendealer der kurz vorher verhaftet wurde hatte eine Liste der Kontaktpersonen bei sich, ihr Name stand darauf. Seit 2 Jahren sitzt sie nun in Quto, ihren Komplez verlaesst sie nur an den Besuchertagen. Sonst ist es ihr zu gefaehrlich, denn auch die Frauen hier haben Waffen und Gewalt ist kein Fremdwort. Sophie sieht gepflegt aus, als Einzige hat sie ordentliche Zaehne. Keine Verottungsspuren verursacht durch ekzessiven Kokainkonsum. Si estrahlt eine unerschuettliche Staerke aus. „Ich habe mein Kind, meine Familie seit 2 Jahren nicht mehr gesehen, ich will nicht, dass sie mich so sehen, das bin nicht ich.“ Sie hofft bald frei zu komen. In Ecuador gibt es ein Gesetz, das untersagt jemanden einzusperren fuer ein Verbrechen, das nachweislich unter Erpressung durchgefuehrt wurde. Der Kidnapper ihres Babys wurde ein paar Tage nach ihrer Festnahme gefasst, ihr Sohn ist wohlauf. Und Sophie wartet auf ein Wiedersehen.

Betty, um die 50ist seit 4 Monaten hier mit ihrer 20 jaehrigen Tochter Josey. Josey arbeitet zu Haus ein Suedafrika in einer Bar. Si elernt einen Mann kennen der ihr von der Armut in Suedamerika berichtet. Sie wollen helfen. Ihre Mutter und sie sammeln mehrer Koffer voll Kleidung un dbringen diese persoenlich nach Ecuador. Einen der Koffer wolen sie behalten fuer die Rueckreise. Der Mittelsmann verspricht diesen am naechsten Morgen vorbeizubringen. In einem doppelten Boden verstaut er ein zusaetzliches Geschenk von ein paar Kilogramm Kokain. Die Frauen werden an der Grenze verhaftet. Bis heute warten sie auf ihre Gerichtsverhandlung. Betty erzaehlt mir ihre Geschichte und beteuert ihre Unschuld. Sie und ihre Tochter wollten doch nur helfen. Waehrend ich mit der Mutter spreche, sprechen die Jungs mit Josey. Sie erzaehlen mir spaeter, sie hatten den Eindruck Josey wusste genau was sie tat.

Dreimal die Woche ist Besuchtstag. Abwechslung fuer ein paar Stunden. Dreimal die Woche sitzen die maedels in dem kalten Gang der Gefaengnishalle und warten auf wildfremde Menschen die ihnen Zigaretten und etwas menschliche Waerme bringen. Besuch von der eigenen Familie gibt es kaum. Entweder sie wollen wie Sophie nicht, dass ihre Familie sie so sieht oder die Familien, wie in Dianas Fall leben selbst von Sozialhilfe und koennen sich einen Besuch einfach nicht leisten. Also warten die Maedels. Manchmal so wie heute kommen gleich viele auf einmal, manchmal kommt monatelang niemand.

So geben die Maedchen ihre Geschichten wieder. So unterschiedlich, so erschuetternd und teilweise so unglaublich. Entspricht das alles der Wahrheit oder schmuecken die Maedchen ihre Storys aus um Mitleid zu erregen? Manche wirken naiv und kindlich andere durchtrieben und raffiniert. Zu beneiden sind sie auf keinen Fall. Noch nicht einmal 30 und teilweise schon am Ende.

Wie man sich in ein 5-Sterne-Hotel schmuggelt

Zum Abschied will ich noch einmal etwas Besonderes mit Patty unternehmen. Wir haben gemeinsam die Umstrukturierung im Laden vorgenommen und uns auf Anhieb verstanden. Aussergewoehnliche Elebnisse verbinden, man spricht noch Jahre spaeter davon. Das kann ein spezieller Ausflug oder Urlaub sein, eine gemeinsam durchzechte Nacht oder auch das heimliche Einschmuggeln in ein 5-Sterne-Hotel.

Noch einmal schwimmen im Pool des Suiss-Hotels, der besten Adresse der Stadt, das waere eine feine Sache.

Um ans Pool zu kommen gibt es genau zwei Herausforderungen. Zwei verschlossene Tueren, die mit Zugangskarte zu oeffnen sind. Meine Karte musste ich vor drei Wochen zurueckgeben, als ich ausgezogen bin.

Die Suites befinden sich in einem seperaten Turm, es gibt einen diskreten Seiteneingang, dass erspart den Gang an der Rezeption vorbei. Die erste verschlossene Tuere ist der Zugang zum Turm, aussen stehen zwei Wachmaenner, innen sitzt der Turmrezeptionist. Hat man diese Huerde ueberwunden, geht es mit dem Aufzug eine Etage tiefer in den Fitnessbereich. Die zweite Tuere.

Tuer Nr. 1: Wenn ich Glueck habe, kennt mich der Rezeptionist. Ich hab mich mit den Angestellten immer gut verstanden und alle wussten, dass ich regelmaessig meine Karte vergesse. Also muesste ich nichts erklaeren. Hoffe nur der Doktor hat nicht erzaehlt, dass wir ausgezogen sind. Wenn jemand fragt wo ich so lange war, erzaehle ich von meinen Ausfluegen.

Tuere Nr. 2: Wenn ich noch mehr Glueck habe steht diese Tuere offen, was zu 50% der Fall ist. Dann kann ich direkt zum Pool durch. Dort gibt es eine Dusche und eine kleine Umkleide. Diese ist zwar unbeheizt, dafuer muss man nicht zu den eigentlichen Umkleiden, wo es eine weitere Rezeption gibt, mit uebereifrigen Mitarbeitern, die die Zimmernummern notieren und viele Fragen stellen.

Patty hat eine Verletzung am Fuss und darf nicht ins Chlorwasser, also starte ich das Projekt alleine.

Montagabend, es regnet in Stroemen. Dank meiner tollen Regenjacke bin ich zwar nicht durchnaesst, ziehe aber dennoch eine verraeterische Tropfspur hinter mir her.

Ganz selbstverstaendlich laufe ich an den beiden Wachmaennern vorbei. Ich klingle an der Turmtuere. Der Rezeptionist oeffnet – ein neues Gesicht. Bevor er etwas sagen kann, frage ich ihn ob Xavier heute denn nicht arbeiten wuerde. Er verneint, heute sei er da. Ich geh auf ihn zu, strecke ihm meine Hand entgegen und stelle mich vor. Er macht mir Komplimente, so wie es sich fuer einen Latino-Macho gehoert. Ich nenne ihn Casanova. Er fuehlt sich geschmeichelt. Wir Beide lachen…und ich bin drin!

Ich laufe zum Aufzug, fahre einen Stock tiefer und habe nochmal Glueck, die 2. Tuere steht offen. Der Weg zum Pool ist frei. Geschafft!!

Waehrend ich meine Bahnen ziehe, beschliesse ich morgen gleich nochmal her zu kommen. Die innere Stimme sagt mir: „Nein, lass es bleiben. Du hattest Glueck, alles lief super, aber fordere das Schicksal nicht heraus.“ Warum eigentlich nicht? Aus Angst es koennte etwas schief gehen? Wie langweilig und eintoenig waere doch mein Leben wenn ich immer auf diese Angst hoeren wuerde.

Ich glaube, dass unser Leben in einer immer wiederkehrenden Folge von Sinus- und Cosinuskurven verlaeuft (vgl. „Der Vergleich der Zustaende: https://aensche.wordpress.com/2008/02/18/vergleich-der-zustaende/). X-Mal geht etwas gut und dann muss es mathematisch bedingt einen Knick geben, einen Wendepunkt, etwas geht schief. Und dann geht es von vorne los: x-mal geht es gut.

Zum Beispiel: x=10. 10 mal geht es gut und dann geht es einmal schief. Du kannst Dir die 10mal aufsparen, verteile sie auf viele Jahre, so erlebst Du viele Jahre ohne Risiko, dass etwas schief geht aber in der staendigen Angst, das naechste Mal koennte das Einemal sein.

Du kannst aber auch leben und Spass haben. Sei verschwenderisch, verteile die 10mal beispielsweise auf eine Woche. Verliere die Angst, es koennte etwas schief gehen. Akzeptiere, es gehoert dazu, dass etwas nicht auf Anhieb klappt. Und Du findest eine Loesung wenn es soweit ist.

Also morgen auf ein Neues. Vorbei an den Wachmaennern. Die Dame an der Rezeption kennt mich, ich gruesse und erkundige mich nach ihrem Wohlbefinden. Zielstrebig laufe ich zum Aufzug und signalisiere, dass ich heute keine Zeit zum tratschen habe. Diesesmal ist die zweite Tuere versperrt. Ich klingle, ein Summen gibt an, dass die Tuere durch die Fernschaltung geoeffnet wurde. Und wieder bin ich drin. Und wieder war es nicht die Nr. 11.

Das Maedchen mit den Schwefelhoelzern

Ich laufe durch die Strassen Ecuadors und begegne immer wieder kleinen Kindern die in einem Bauchladen vor sich Kaugummis und Suessigkeiten tragen, um diese zu verkaufen. „Chicles, dulces“ hoere ich aus ihren dreckverschmierten kleinen Muendern. Bei den ganz Kleinen, vielleicht gerade mal vier Jahre alt stehen die grossen Geschwister oder die Eltern um die Ecke und beobachten wie sich die Kleinen machen und ob man sie schon alleine losschicken kann. In der Lehre mit knapp vier Jahren…

Bei einem Konzert auf dem Marktplatz zieht ein Knirps an meiner Jacke, streckt bettelnd die Hand aus und murmelt schlaftrunkend sein Saetzchen. Der arme Knopf ist zu muede um wirklich aufdringlich zu sein, ohne auf eine Antwort zu warten schlurft er zum naechsten. Er kann sich vor lauter Muedigkeit kaum auf den Beinen halten. Wahrscheinlich wurde er gerade erst aus seinen Traeumen gerissen um auf Betteltour zu gehen. Ein Konzert mit vielen Menschen, ein guter Platz fuer ein kleines Kind um kurz vor Mitternacht Mitleid zu erregen.

Doch wie reagieren? Gib einen Almosen, gib Dir selbst das Gefuehl etwas Gutes getan zu haben, geholfen zu haben und dann ruhigen Gewissens zurueck in den eigenen Wohlstand? Doch unterstuetzt man damit nicht erst recht die Kinderarbeit? Die Bettelei? Du stehst machtlos da, siehst das Elend und weisst nicht was tun. Wie schlecht geht es den Familien das sie ihre Kinder losschicken muessen? Sind sie wirklich auf die Kinder angewiesen? Oder zeigt es einfach den Stellenwert der Kleinsten? Kannst Du Dir vorstellen Dein eigenes Kind, Deinen Schuetzling auf die Strasse zu schicken, den Gefahren des rauen Lebens auszusetzen?

Ich muss an ein Bilderbuch denken, dass mich heute noch wie vor vielen Jahren zu Traenen ruehrt. „Das kleine Maedchen mit den Schwefelhoelzern“ von Hans-Christian Andersen: Ein kleines Maedchen mit blonden langen Haaren irrt am Silvesterabend durch die dunklen Gassen. Ihre viel zu grossen Pantoffeln hat sie verloren als sie ueber die Strasse hetzend den rasenden Autos auswich. Wie gut ich mir diese Situation vorstellen kann, in Quito die Strasse zu ueberqueren erfordert hoechste Konzentration. Die Autos scheinen eher zu beschleunigen wenn sie einen Fussgaenger sehen. Sicher bist Du nur, wenn Du in einer Gruppe ueber die Strasse gehst, da haben sie dann Angst um den Schaden am Auto.

Das kleine Maedchen aus der Geschichte friert bitterlich, traut sich aber nicht nach Hause zu gehen, denn sie hat den ganzen Tag noch keine Schwefelhoelzer verkauft. Die Mutter ist tot und vom Vater erwartet sie nur Pruegel wenn sie ohne Almosen nach Hause kommt.

Mit ihren blau gefrorenen Fuesschen kauert sie sich in einen Winkel zwischen zwei Haeusern. Nach einer ganzen Weile nimmt sie all ihren Mut zusammen und zuendet sich ein Schwefelhoelzchen an um sich etwas zu waermen. Eines nach dem Anderen, denn in dem hellen Licht sieht sie allerlei schoene Dinge. Ein warmes Zuhause, einen schoenen Weihnachtsbaum, einen duftenden Gaensebraten…Dinge von denen sie nur traeumen kann, die fuer uns selbstverstaendlich sind… Eine Sternschnuppe kuendigt ihr irdisches Ende an. Denn sie weiss von ihrer verstorbenen Grossmutter: „Wenn ein Stern fällt, steigt eine Seele zu Gott empor!“ In dem Licht der letzten Schwefelhoelzer erscheint ihr ihre liebe Grossmutter, die gerne dem Bitten des Maedchens folgt und sie mit sich nimmt. Am naechsten Morgen, am Neujahrstag wird die Kleine tot aufgefunden, mit einem Laecheln auf ihren Lippen und den abgebrannten Hoelzern in ihren blauen Haendchen. „Sie wollte sich waermen“ sagen die Leute.

„Chicles, dulces“ Eine Kinderstimme bringt mich zurueck in die Realitaet. Vor mir, in Quitos Strassen, steht ein kleines Maedchen ca. 8 Jahre alt, Kaugummi und Suessigkeiten in ihrem Bauchladen. In ihren Haenden haelt sie ein Paeckchen Schwefelhoelzer…

Aendria in Ecuador

Viele haben es sich fest vorgenommen mich auf meiner Reise ein Stueck zu begleiten. Aendria vom Hexenclub ist die Erste die sich auf den Weg macht um mich irgendwo auf dieser Welt zu besuchen. Im November 2007 kommt sie nach Ecuador!

Da sie nicht so viel Zeit hat wie ich, bekommt sie ein Sezialprogramm um in zwei Wochen moeglichst viel zu erleben. Es geht auf fast 5.000m Hoehe in schneebedeckte Berge, an die wunderschoenen Straende der Galápagosinseln und in die Tiefen des Amazonasdschungels. Nachdem der Hexenclub schon viele Jahre gemeinsam auf Reisen geht, haben wir mittlerweile auch diverse Traditionen. So gibt es einen „Traditional day of church“ und einen „Aendria-darf-planen-Tag“.

So 25.Nov: Ankunft in Quito 22:10Uhr

Willkommenstrunk und kleiner Imbiss


Mo 26.Nov: “Mitad del Mundo”

Ausflug zur Aequatorlinie und Besuch eines indianischen Museums


Di 27.Nov: The traditional “Day of church”

Besuch der “OutletFactory”


Mi 28.Nov: Cotopaxi (knapp 5.000m)


Do 29.Nov: 9:30 Uhr Abflug zu den legendaeren “Galápagos Inseln”

Fr 30. Nov: (4 Tage auf einem Schiff, schnorcheln mit Schildkroeten, Pinguinen, Seeloewen und Haien)

Sa 1.Dez:

So 2.Dez: ca.16:45Uhr Ankunft in Quito -> Hostel


Mo 3.Dez: mit der Teleférico geht es auf den Pinchinca auf atemberaubende 4.600m

um 23:30 Uhr gehts mit dem Nachtbus in Richting Dschungel

Di 4.Dez: Dschungeltour durch die Tiefen des Amazonas

Mi 5.Dez: (inklusive Nachtwanderungen, Besuch eines Indianerstammes,

Do 6.Dez: Piranhiafischen und der Genuss von leckeren Lemon-Ameisen)

Fr 7.Dez: mit dem Nachtbus geht es wieder zurueck nach Quito

Sa 8.Dez: Ankunft in Quito ca. 05:30Uhr

Aendria-Tag”: Wie es der Tradition gebuehrt, darfst Du an einem Tag

soviel planen und organisieren wie Du moechtest. Dies ist Dein Tag!

So 9.Dez: Abflug 9:55Uhr ;-(

vielen Dank fuer Deinen Besuch! Wie schoen, dass Du da warst!!!


Komm wir nehmen die Treppe und schaun was los ist

Donnerstag, 15.November 2007: 

Ich komm grad vom schwimmen zurueck und sitze nun gemuetlich mit Ines am Tisch in unserer Suite im Suiss-Hotel im 14. Stock. Sie schreibt, waehrend ich Weihnachtsgeschenke verpacke. Ploetzlich schreckt Ines hoch: „Was ist das?“ Sie schaut mich mit grossen Augen an. Aus dem Augenwinkel sehe ich die Stehlampe neben mir schwanken, instiktiv greife ich nach ihr um sie festzuhalten. Ich schaue auf, das Zimmer dreht sich. Mein Kreislauf? Nein, das Gebaeude schwankt. Was ist das? Letzte Woche ist in Quito ein Flugzeug ueber die Landebahn hinausgeschossen, der Flughafen ist mitten in der Stadt, nicht einmal 20 min von uns entfernt. Die Flugzeuge scheinen unseren Hotelturm ziemlich nah zu passieren. Oder ist es ein Erdbeben? Gestern gab es ein heftiges in Chile. Ich verdraenge alle weiteren Gedanken aus meinem Kopf. Angstszenarien loesen Panik aus und verursachen Fehler.

 Ruhig aber bestimmt laufe ich zur Tuere um meine Badelatschen gegen Turnschuhe zu tauschen. Ich bemuehe mich gelassen zu wirken als ich Ines auffordere ihre Schuhe anzuziehen. Sie reagiert erst bei der zweiten Aufforderung, liegt wohl an den starken Medikamenten die sie gerade nimmt. „Komm wir nehmen die Treppen und schaun was los ist“ sage ich und bin froh, dass meine Stimme meine Angst nicht verraet.

Mir zittern die Knie als wir die 14.Stockwerke hinunterlaufen. Ich will raus. Keine Ahnung was das gerade war, ob es schon vorbei ist oder noch gar nicht richtig angefangen hat. Die Treppe ist der einzige Weg. Keine Ahnung was ich machen soll wenn der Weg versperrt ist. Auch diesen Gedanken verdraenge ich. Es ist ein bloedes Gefuehl ausgeliefert zu sein. Du hast nicht viel Zeit zum Nachdenken, du hast in Sekundenbruchteilen zu reagieren. Ein aenhliches Gefuehl hatte ich in Venezuela bei dem heftigen Sturm. Du schiebst die Angst beiseite und handelst, ganz nuechtern und versuchst zu verbergen dass Du zitterst wie Espenlaub… 

Ich bin froh, als wir das Erdgeschoss heil erreichen, und ich mir zumindest einen kleinen Ueberblick verschaffen kann. Es war ein Erdbeben. Hier unten scheint alles in Ordnung zu sein, dennoch ist mir nicht so richtig wohl jetzt einfach wieder in den 14.Stock zurueck zu gehen. Das Hotelperson reagiert ziemlich gelassen, wir sollen ruhig hoch, das Hotel ist erdbebensicher gebaut, daher auch die extremen Schwankungen ganz oben. Ich will Informationen ob weitere Nachbeben erwartet werden. Erst als ich den Rezeptionisten einlade mit uns im 14.Stock zu schlafen- nein, nicht deswegen, sondern um zu testen ob er die Lage wirklich so „cool“ einschaetzt wie er tut- bemueht er sich um Infos. Obwohl keine weiteren Meldungen vorliegen fuehlt es sich trotzdem komisch an wieder hoch zu gehen. Einer jungen Frau aus Venezuela geht es aehnlich, sie fuerchtet sich alleine in ihrem Zimmer im 10.Stock. Also kommt sie mit zu und, wo wir gemeinsam die Nachrichten verfolgen.

Das Epiezentrum lag zwischen Peru und Ecuador. Nachwehen des Erdbebens von Chile vor ein paar Tagen. Es dauert ca. 1min. Obwohl die Richterskala 6,7 anzeigte war das Beben verhaeltnissmaessig harmlos, da in einer Tiefe von ca. 100km. Keine Berichte von Toten oder groesseren Sachschaeden.

In luftigen Hoehen – Teil 2

Die Luft ist ziemlich duenn. Jede Bewegung ist anstrengender als normal. Alles geht etwas langsamer. Ein weiteres Phaenomen ist, das der Koerper mit zunehmender Hoehe zunehmend Gase bildet. In einem Artikel ueber Hoehenkrankheit habe ich schon vorher davon gelesen, allerdings wird in keinem meiner spannenden Abendteuerbuechern darueber berichtet.

Nach dem Essen und einem anschliessenden Schluck Wein am Kaminfeuer steht ein Nachtspaziergang an. Der Sternenhimmel ist atemberaubend. Millionen von leuchtenden Himmelskoerpern und wir sind nur 1.500m von dem Punkt entfernt, der dem Universum am naehesten ist.

Aussen hat es Minusgrade, Innen ca. +2Grad Celsius. Zusaetzlich zu meinem Schlafsack habe ich einen Schlafsackwaermer von Manu eingepackt. Ein kleines Waermekissen, dass durch Kontakt mit Sauerstoff aktiviert wird und ca. 20h Waerme abgibt. Gut wenn man einem grossen Bruder hat, der einen Faible fuer Outdoor-Ausruestung hat. Durch gute Vorbereitung ueberstehe ich auch die eisige Kaelte. Viel mehr zu schaffen macht mir der Sauerstoffmangel. Dieser erschwert das Schlafen in der Tat ungemein. Ich dachte immer waehrend des Schlafs verbraucht man weniger Sauerstoff. In einer Star Wars Folge hatten zwei Piloten zuwenig O2 in ihrem Raumschiff, deshalb musste immer einer schlafen um weniger davon zu verbrauchen. Ich dagegen habe das Gefuehl hoechstens mal ne halbe Stunde wegknicken zu koennen.

Ich versuche eine einigermassen angenehme Liegeposition zu finden, wobei jede Drehung unangenehm ist. Eine zu schnelle Bewegung macht sich durch ein Stechen im Kopf bemerkbar. Meine Kehle ist ausgetrocknet, egal wieviel ich trinke, und ich trinke viel. Was zur Folge hat, dass ich raus aus meinem mittlerweile warmen Schlafsack in die eisige Kaelte muss. Die Toiletten sind zwar im Freien, aber immerhin gibt es welche.

Ein weiterer Grund der mich wach haelt, ist dass staendig jemand in der Gegend rumgeistert. Auf der oberen Etage sind 8 Betten, meines steht direkt an der Treppe. Mit lauter Fremden sind alle Alarmglocken auf staendiger Bereitschaft.

Wenn ich dann doch mal einschlafe habe ich wirre Traeume. Ich schwimme in einem Pool. Jeder einzelne meiner Schwimmzuege bringt mich nicht vorwaerts, sondern ein Stueck tiefer, immer tiefer und tiefer… Ich muss etwas machen, etwas aendern…ich aendere meine Atmung und langsam bringt mich jeder Schwimmzug wieder ein Stueckchen naeher zur Wasseroberflaeche. Oben angelangt wache ich auf…wow…da hat wohl wirklich gerade etwas Sauerstoff gefehlt.

Ich drehe mich um und sehe den aufdringlichen Guide- nein nicht Enderson, der Guide der Eiskletter, wie er sich ueber das Bett von Ines beugt. Mit einem Ruck bin ich aus meinem Schlafsack und fahre ihn mehr als schroff an was er hier zu suchen hat. Er dreht sich zeitlupenmaessig langsam um, und… eine verstoerte Ines schaut mich an. Hmm, mit der dicken Jacke und der grossen Wollmuetze sah sie aus wie der aufdringliche Typ vom Vorabend. Die ruckartige Bewegung und der laute Schrei fordern ihren Tribut und ich spuere ein heftiges Stechen in meinem Kopf.  

Nein keine Angenehme Nacht, aber eine super spannende Erfahrung!

In luftigen Hoehen – Teil 1

Der hoechste Berg Ecuadors ist der Vulkan Chimborazo mit 6.310m. Aufgrund der Woelbung des Aequators ist die Spitze des Vulkans, der Punkt der am weitesten vom Erdmittelpunkt entfernt ist. Weiter als jeder Achttausender.

Mit dem Jeep kommt man bis auf 4.800m. Dort gibt es ein Refugium, eine einfache Unterkunft mit Kochgelegenheit. Eine Art Basecamp fuer Eiskletterer, denn die Spitze des Vulkans ist nur mit Spezialausruestung zu erklimmen.

Nachdem ich unter der Woche arbeite will ich die Wochenenden ausgiebig zum reisen nutzen. Geplant ist mit Ines einen Tag auf die 4.800m hochzufahren und ein bisschen zu wandern. Am naechsten Tag solls mit dem Zug zur Teufelsnase gehen.

Ich will eine Nacht in dem Refugium verbringen. Es reizt mich einmal in dieser Hoehe zu schlafen. Mir wird abgeraten. Es sei schweinekalt und an schlafen aufgrund des Sauerstoffmangels gar nicht zu denken. Also ein richtiges Abendteuer!

Los gehts am Freitagnachmittag. Mit dem Bus 4h nach Riobamba, dem Ausgangspunkt. Unterwegs macht Ines mich darauf aufmerksam, dass es schon zu spaet sein koennte um heute noch auf den Berg hochzufahren. Der Verkehr ist stockend aufgrund des langen Wochenendes. Wir kommen nur langsam voran. Es wird schaetzungsweise fuenf bis wir ankommen. Hier am Aequator geht die Sonne um sechs Uhr auf und um 18Uhr wieder unter. Ines koennte recht haben. Es koennte heute zu spaet werden. Meine Laune sinkt. Ich will da hoch.

Gestern haben wir darueber gesprochen wann wir losfahren sollen. Ines wollte nicht planen. “Immer diese Planerei, mach Dich mal locker.“  Ich kam mir schon fast wie ein Spiesser vor, geht auf Weltreise und will planen… Ich konnte sie nur dazu bringen mit mir eine Abfahrtszeit auszumachen. Und dann haben wir uns treiben lassen. Da ich allerdings gerade arbeite ist das mit dem Treiben lassen etwas schwer. Manchmal muss eben doch geplant warden. Bin selbst schuld, dass ich nichts organsiert habe. Ines will mich aufmuntern, das ist doch nicht so schlimm, dann gehst Du eben wann anders hoch zum schlafen. Sie weiss noch nicht ob sie ueberhaupt oben schlafen will, bis jetzt hat sie noch nicht einmal einen warmen Schlafsack. Ich will jetzt keine Alternativplaene hoeren, dafuer ist es zu frueh. Ich will da oben uebernachten und ich werde einen Weg finden. Notfalls uebernachte ich da auch alleine… Kurz vor fuenf, nach mehr als 4h Busfahrt erreichen wir Riobamba. Ein netter Herr aus dem Bus bringt uns zum Taxi. Er mag mich seit ich ihm im Bus was zu Essen geschenkt habe. Waehrend den langen Busfahrten steigen regelmaessig Verkaeufer ein, die Suessigkeiten, Wasser und ecuaodorianische Spezialitaeten bereit halten. Ich kaufe ein in ein Palmblatt eingewickeltes Stueck Kaese. Das Blatt ist die Verpackung, der Kaese schmeckt wie Gummi. Aber Lebensmittel werden nicht weggeschmissen, der Herr hinter mir freut sich ueber die Gratisportion. Auch er meint, es koennte heute schon zu spaet sein. Von zwei Oesterreichern habe ich die Adresse eines Guides mit dem sie letzte Woche oben waren. Auf gut Glueck fahren wir hin. Er ist nicht da, aber sein Kollege. Ich erklaere ihm auf spanisch was ich moechte, und wie frustriert ich bin, da jeder meint es sei zu spaet. Er willigt ein mich hochzubringen. Da er mich am naechsten Tag eh abholen muesste, wird er selbst auch gleich mit oben bleiben. Fuer Ines hat er einen warmen Leih-Schlafsack. Juchu! Von wegen geht nicht. Wie ich diese zwei Woerter hasse. Und wie schnell sie doch verwendet werden, bevor alle Optionen geprueft sind. 

Auch Enderson 38, unser Guide warnt nocheinmal, dass eine Nacht in dieser Hoehe nicht unbedingt angenehm ist. Es ist ein Abendteuer auf das ich mich unheimlich freue. Uebernachten auf fast 5.000m Hoehe. Wahnsinn! Wir verabreden uns in einer halben Stunde zur Abfahrt. Er muss packen und wir Proviant einkaufen. Obwohl es nur eine Nacht ist, fuehle ich mich als wuerde ich gleich zu einer grossen Expedition aufbrechen. Bis wir loskommen daemmert es bereits. Ich frage Enderson ob der Weg bei Nacht gefaehrlich sei. Nach der Strecke von Los Nevados bin ich vorsichtig. Er meint, er habe keine Ahnung, er sei noch nie im Dunkeln hoch. Auch fuer ihn ist es ein Abendteuer. Er hat nur einmal oben geschlafen und das war vor ueber einem Jahr als sie mitten in der Nacht aufgebrochen sind um den Gipfel zu erstuermen. Dort oben zu schlafen ist eigentlich nur Mittel zum Zweck. 

Oben angekommen ist es bereits stockdunkel. Es gibt keinen Strom dafuer Kerzen. Meine Stirnlampe leistet wieder einmal hervorragende Dienste. Wir haben Glueck, drei Betten sind noch frei. In den restlichen schlummern bereits Eiskletterer, die um 1Uhr in der Nacht aufbrechen wollen.  Im Kerzenschein und mit Stirnlampe bewaffnet, kochen wir Pasta mit Tomatensauce.

Alltag in Quito

In der 2. Woche wohne ich in einem Appartement der Schule. Zwei Schlafzimmer, Bad und ein Flur der zum Wohnzimmer umfunktioniert wurde. Die Kueche ist in der Wohnung nebenan. Kosten 30 USD pro Woche. Ueber mir wohnt die Rektorin Martha. Hier treffe ich auf Ines aus Hamburg, die das Zimmer gegenueber bewohnt. Wie sich herausstellt haben wir vor ca. einem Jahr e-mails ueber das Weltreiseforum ausgetauscht. Sie hat eine aehnliche Reiseroute wie ich. Ines hat einen Hamburger kennengelernt, der in seiner Firma in Quito Kleidung entwirft und produziert und diese per Frenchaising-System weltweit verkauft. Immer auf der Suche nach neuen Partnern bietet er ihr einen Job an, um unter anderem Erfahrung fuer ihren spaeteren Laden in Vancouver zu sammeln. Hey, an einem Job bin ich auch interessiert. Ich lerne Dr. Stefan, von seinen Angestellten nur „Der Doktor“ genannt, kennen. Er ist sehr unzufrieden mit seinem Laden in Quito und den Angestellten, deren Arbeitsmoral nicht den deutschen Vorstellungen entspricht. Verkaeuferische Faehigkeiten sind extrem unterentwickelt und es fehlt ein gut funktionierendes System. Mein Interesse ist geweckt. Bis spaet in die Nacht entwickeln Ines und ich Verbesserungsstrategien. Stefan hat im Hinterkopf, dass ich einen Laden in Stuttgart aufmache. Doch ich bin erst am Anfang meiner Reise und nicht bereit fuer solche Plaene.

Der Doktor bietet 2USD auf die Stunde und Unterkunft in seiner Suite im Suiss-Hotel, solange er auf Reisen ist. Ein hoher Stundenlohn ist das ja nicht gaerde, zwar ist das Suiss-Hotel die beste Adresse in der Stadt, doch Luxus reizt mich nicht, ich habe die letzten zwei Monate sehr gut in meiner Haengematte geschlafen. Schicke Hotels hatte ich zugenuege in den letzten Monaten in Deutschland. Was ich in meinem Zigeunerleben benoetige ist was warmes zum anziehen, ein Dach ueberm Kopf und was zum essen. Schliesslich einigen wir uns auf einen Monat Arbeit, 25h die Woche. Wir wohnen im Suiss-Hotel, 2USD auf die Stunde, Kleidung aus seiner Kollektion und Erstattung der Kosten, die wir bereits fuer das soziale Projekt vorgestreckt haben.

 Ja genau, da war doch noch was- das soziale Projekt. Mein Spanisch ist noch zu schlecht um im Projekt fuer Strassenkinder mitzuarbeiten. Was fuer eine Hilfe bin ich wenn ich die Kinder nicht einmal verstehe. Also verschiebe ich mein soziales Engagement ersteinmal und arbeite fuer den Doktor.  

Der Einzug in das Nobel-Hotel ist ein Erlebniss fuer sich. Mit unsren grossen Rucksaecken geschultert schreiten wir ueber den roten Teppich. Ein eifriger Portier nimmt meinen Rucksack entgegen, Ines haelt an ihrem fest „Ich geb doch nicht meinen Rucksack her, nachher klauen die noch.“ Es werden heisse Tuecher gereicht um die Strapazen der langen Anreise abzuwaschen, nebst einem Begruessungscocktail- warmer Rotwein. Ein Empfang fuer Koenige. Beim Betreten der Suite sind wir schnell wieder in der Realitaet zurueck. Eine typische Junggesellenbude. In der Kueche stappelt sich das schmutzige Geschirr und in der gesamten Wohnung herrscht Chaos. Nach einer Grossreine-Desinfektions-Aktion ist es echt gemuetlich. Ein Appartement im 14. Stock, nicht schlecht.

Na und so erlebe ich Alltag in Quito. Feste Arbeitszeiten, fester Tagesablauf. Morgens schwimmen im Luxuspool, Spanischunterricht, arbeiten und relaxen im Whirlpool. Abends Freunde empfangen, gemeinsam kochen und stundenlang Karten spielen.

 

Fotitos de Ecuador (Nov/Dez 2007)

Auf der Aequatorlinie Ecuador

 

 

Cotopaxi, auf knapp 5.000m

Auf knapp 5.000m - Cotopaxi, Ecuador Nevember 2007

 

Quito bei Nacht

Piranhiafischen

 Fernando, mein Spanischlehrer mit Familie

 

 

Cimborazo, Ecuador